
Man spendet Blut, damit Unfallopfern mit Transfusionen geholfen werden kann. Das war mal der Grundgedanke, der Menschen zur Blutspende trieb. Heute hingegen wird Plasma gespendet und für diese "Spende" wird mit der Aussicht auf Geld geworben. Wie hier auf diesem Plakat, das witzig sein soll und dessen zynische Unmenschlichkeit den meisten wahrscheinlich verborgen bleibt.
Du bist in Not? Verkauf etwas von deinem Körper!
Kleine Bildanalyse: Die junge Frau scheint zu frieren und die Bezeichnung "Energy Crash" deutet darauf hin, dass sie kein Geld für die Heizung hat. Warum hat sie kein Geld für die Heizung? Weil die Heizkosten massiv gestiegen sind und das Heizungsgesetz mit neuen Kostenexplosionen schon vor der Tür steht. Staatliche Maßnahmen, erdacht um das weltweite Klima zu retten, sorgen dafür, dass diese junge Frau eine kalte Wohnung hat. Wie gut, dass in ihrem Körper Blut fließt. So kann sie sich etwas Geld hinzuverdienen, mit dem sie dann ihre vier Wände wärmen kann.
Oder kurz: Die Regierung ist schuld an der Not der Frau und treibt sie dazu, ihren Körper zu verkaufen. Klingt drastisch, ist aber so.
Plasma ist Rohstoff
Gegen eine Aufwandsentschädigung lässt sie sich eine Kanüle in den Arm stechen und 650 bis 850 Milliliter Blut entnehmen. Das Plasma wird getrennt, die festen Blutbestandteile kommen zurück in den Körper. Blutplasma wird im Gegensatz zum Blut nicht direkt verwendet, sondern ist die Basis für die Herstellung teurer Medikamente. Plasma ist ein Rohstoff, der menschlichen Körpern entzogen wird und dann in der Pharmaindustrie zu immensen Gewinnen führt.
Einer der großen Player im Plasmaparadies ist die Octapharma GmbH, die auch in Deutschland Spendezentren betreibt. Im Jahresbericht 2020 ist zu lesen, dass die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozent gestiegen sind und sich auf 2,4 Milliarden Euro belaufen. Das Unternehmen entwickelt Produkte aus Plasma, das zu 80 Prozent aus firmeninternen Spenderzentren kommt.
In der Reportage Geschäfte mit Blutplasma von Christian Schmidt, Sílvia Caneco, Mario Damolin (Text) und Gregory Gilbert-Lodge (Illustration) wird berichtet, dass Octapharma auch in den USA große Geschäfte macht. Zum Beispiel in Cleveland:
"Weshalb ausgerechnet Cleveland? Cleveland, Bundesstaat Ohio im Mittleren Westen, ist die ärmste Grossstadt der USA. [...] Die überwiegende Mehrzahl der Menschen kommen hierher, weil sie sonst ihren Alltag nicht finanzieren könnten. Mit dem Entgelt für das Plasma kaufen sie Essen, füllen den Tank des Autos, zahlen die Miete."
Gezielt werden dort Zentren gebaut, wo die Menschen kaum eine andere Wahl haben als ihren Körper zu verkaufen. Körpereigene Teile gegen Cash. Jetzt ist es nur Blut und Plasma, in anderen Ländern bereits Organe und wenn man es so betrachten will, ist auch der Verkauf eines Kindes aus Leihmutterschaft Handel mit körpereigenen Teilen.
Der Mensch wird zum handelbaren Rohstoff in einer Zeit, in der das Wort "Menschenrechte" aus allen Zeilen tropft.
Dass die Firmen Geld mit Plasma verdienen, ist nicht verwerflich, wenn die Spenden wirklich freiwillig wären. Doch sie entstehen aus Not, und diese Not wird gezielt ausgenutzt.
Das Furchtbare erkennen
Es ist die Entscheidung eines jeden Einzelnen, ob er seinen Körper oder Teile davon verkauft. So sähe eine radikale Bewertung aus. Der Mensch ist für sich selbst verantwortlich und frei, zu tun, was er will. So ist es aber nicht, denn jemand der friert, nichts zu essen hat oder seinen Kindern kein Leben bieten kann, weil das Geld fehlt, ist nicht frei. Not schafft Alternativlosigkeiten. Aus diesem Grund ist die Spende aus Geldnot eine furchtbare Angelegenheit. Was ist das für eine Welt, in der Menschen ihren Körper veräußern müssen, um nicht an den Konsequenzen politischen Handelns kaputt zu gehen? Wie grauenhaft ist es, wenn einer eine Niere verkaufen muss, weil er sonst nichts zu essen hat? Wie frauenverachtend, wenn ein Baby, das fast 40 Wochen im eigenen Bauch herangewachsen sind, herausgeschnitten wird, damit es pünktlich geliefert werden kann?
Und wann haben wir den Blick und den Mut dafür verloren, das Furchtbare darin zu erkennen und zu benennen?
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