
Es ist schon wieder passiert: Wieder wurde eine Person von einem Gesprächsabend ausgeladen, weil ein Bündnis gegen rechts in Aktion getreten ist. Die Rede ist von Hans-Joachim Maaz, Psychiater, Psychoanalythiker und Autor. Gerade erst las ich sein Buch "Die neurotische Gesellschaft", da offenbart sie sich ein weiteres Mal.
Worum geht es? Hans-Joachim Maaz war zum Thema "Das gespaltene Land" (so auch der Titel seines aktuellen Buches) von einer evangelischen Gemeinde in Halle eingeladen worden. Das Bündnis gegen rechts nahm Anstoß und stellte ein Dossier über Maaz zusammen und der Gemeinde freundlicherweise zur Verfügung. Die Vorwürfe lauten: zu nah an den Rechten, AfD-freundlich, verschwörungsnah, Coronaleugner. Natürlich ist der Antisemit dabei.
Während man vor über 80 Jahren in eine Partei eintreten musste, um Nationalsozialist zu werden, reicht heute schon die Beschuldigung von Menschen und Bündnissen, die es nicht gäbe, gäbe es diese Beschuldigungen nicht.
Heute wurde nun verkündet, dass Maaz vom Gespräch ausgeladen ist, dieses aber unter der Fragestellung, wie konstruktiver Dialog möglich sein kann, dennoch stattfinden soll. Nun, ich hätte eine
Idee: Indem man offen für verschiedene Meinungen ist und sich nicht von außen, von Menschen, die sich und ihre Einstellung für die beste aller Zeiten halten, diktieren lässt, wen man einzuladen
hat. Das wäre ein Anfang.
Wann fing das Gefühl an, sich verstecken zu müssen?
Zu Ende scheint die Zeit der Unschuld zu sein. Seit einigen Jahren schon muss man sich mit Ansichten und Meinungen verstecken, wenn man nicht Gefahr laufen will, angefeindet, denunziert, verleugnet oder mit einem Shitstorm überzogen zu werden. In meiner Wahrnehmung begann das 2014, als es zum Krieg in der Ostukraine kam. Schon damals war jeder verpönt, der glaubte, dass der Konflikt nicht ganz so einseitig sein könnte, wie die Medien ihn darstellten. 2015 verbat sich die moralische Masse Kritik an der Grenzöffnung Angela Merkels und ab 2020 waren Fragen zur destruktiven Coronapolitik unangebracht. Es scheint, als gäbe es nur noch eine Deutung der Realität und nur noch eine Vision der Zukunft, einer Zukunft, die uns inzwischen verordnet wird. Zumindest fühlt es sich so an, wenn man stets und ständig mit Klimakatastrophenkilleralarm bombardiert wird und dagegen ankämpfen soll. Dem multimedialen Erziehungsbeschuss ist kaum auszuweichen.
Die Meinungsglocke macht mich fertig
Ich kann nicht mehr. Meine Seele schwankt zwischen tödlicher Lethargie und einer Gespanntheit, die mich fast zerbersten lässt. Ich fühle mich, als säße auf meinem Kopf eine Glasglocke, hinter der ich zwar sehen kann, was ist, jedoch nicht sprechen kann, wie ich denke. Und wenn ich es tue, kommen die Worte nur bis zur unsichtbaren Wand und strömen dann zu mir zurück, während die Realität weiter ihren wahnhaften Weg nimmt. Ich halte mich mit Meinung zurück, weil ich fürchte, dass sie berufliche Auswirkungen haben könnte, verheimliche Bekanntschaften aus Angst vor Kontaktschuld. Bei manchen Veranstaltungen oder Demonstrationen hatte ich Angst, fotografiert zu werden. Einige Male haben wir unsere Smartphones in ein anderes Zimmer gelegt, als wir uns unterhalten haben. Ich kaufe an der Tankstelle eine taz zur Jungen Freiheit dazu, damit ich behaupten kann, dass ich nur recherchiere. Ja, ich habe sogar schon mal Bücher versteckt, wenn Gäste kamen, die nicht verstehen würden, warum ich solche Bücher lese. Doch ich will das alles nicht mehr. Das Verstecken raubt mir die Energie, jeder vermiedene Text lässt mich ausbrennen. Maaz schreibt übrigens über diesen Zustand Folgendes:
"Die gebremste und zurückgehaltene Lebensenergie ist die wichtigste Ursache aller depressiven und angstvollen Zustände [...]. Die nicht freigelassene und ausgestaltete Lebensenergie führt zur Erschöpfung durch ständiges Bremsen und anstrengende Zurückhaltung ohne sichtbare Leistung. Auf diese Weise entsteht neben der Depression [...] die vorzeitige Erschöpfung (Burn-Out) ohne wesentliche Überforderung..." (Die neurotische Gesellschaft, S. 134)
Wir sind das Problem
Und all diese Überlegungen bringen mich zu der Einsicht: Wir sind das Problem. Wir, die das mit sich machen lassen. Es gab und gibt immer Leute, die anderen sagen wollen, was sie zu denken und zu tun haben. Und es wird sie immer geben. Sie hätten aber keine Macht, wenn sie auf Menschen treffen würden, die ihnen etwas entgegen zu setzen haben, die ihre eigenen Werte verteidigen.
Was lassen wir zu: Denunziantentum, moralische Erpressung und Deutungshoheiten.
Was geben wir auf: die Freiheit, selbst zu denken und sich im offenen Diskurs zu entwickeln.
Was hält uns zurück: Hoffnungslosigkeit, Bequemlichkeit und Angst.
Wenn die Menschen ihre Meinungen nicht äußern, wird es irgendwann nur noch eine legitime Meinung geben. Dann hat die Partei wieder immer recht und das Eigentliche bespricht man zu Hause mit Freunden, direkt neben dem Lautsprecher von Amazon. Dann bringen wir den Kindern wieder bei, dass sie bei ihren Freunden nicht erzählen sollen, wer bei uns zu Gast ist und welche Bücher in unseren Regalen stehen. Nur damit niemand weiß, dass ich Hans-Joachim Maaz lese.
Ich will nicht in diese Zukunft und ich will nicht, dass meine Kinder so leben müssen. Ich will Meinung, Streit und laute Runden, in denen niemand auf seine Sprache achtet. In denen stattdessen herrlich unkorrekte Witze gemacht werden, weil die die Wut ableiten und uns lachen lassen über den Irrsinn dieser Tage.
Bevor mir also der Kragen platzt, öffne ich ihn und atme tief ein. Dann nehme ich mir eine Flasche Champagner und treffe mich mit meinen freiheitsliebenden kritischen Mitstreitern, mit denen ich Fotos mache, die erst der Lauf der Geschichte ans Licht bringen wird.
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DerAndi (Donnerstag, 26 Januar 2023 21:15)
Schade eigentlich, daß warscheinlich die wenigsten seine Werke kennen und somit erkennen, daß dieses „Bündnis“ selbst seine Erkenntnisse bestätigt. Somit also Teile seiner Arbeit übernimmt und genau beschriebt, wie Faschismus funktioniert.
Roger (Samstag, 28 Januar 2023 06:13)
Danke Juliane Uhl, sehr gut gezeichnet. Unter dieser Meinungsglocke leide ich schon seit Jahren. Keiner weiss wie wir da rauskommen. Es gibt weltweit keine echte Demokratie mit Meinungsfreiheit und Recht auf Wahrheit. Das ist meine traurige Erkenntnis. Diese mysteriös gesteuerte Demokratie mit offensichtlichem deep state ist mir unheimlich geworden. Neueste Offnbarung: Fast tägliche Meinungsumfragen der ARD zu den Panzerlieferungen wollen belegen, daß die Zustimmung nun ansteigt und die 50% Marke geknackt wurde. Beste Grüsse und weiterso!!