Kommentare zur Titelgeschichte DER SPIEGEL - AUF DIE SANFTERE TOUR (Ausgabe 1/23)

"Warum eine ressourcenfressende Wohlstandsmaschine akzeptieren, wenn sie keinen Wohlstand für alle mehr hervorbringt? Dann lieber gleich nur vier Tage die Woche arbeiten.
Zwischen den Zeilen stehen hier zwei wichtige Dinge. Zum einen, dass das Ressourcenfressende akzeptiert werden könnte, wenn es Wohlstand für alle hervorbringen würde. Hier ist also Neid das Motiv, denn man möchte genauso viel wie die anderen haben.
Zum anderen zeigt sich im zweiten Satz ein Wunsch, der auch an anderen Stellen im Text auftaucht: Weniger arbeiten. Zwar wird auf die "gesellschaftlich wichtige Arbeit wie die Alten- und Krankenpflege" hingewiesen. Doch auf die Idee, dass man selbst in diese Bereiche gehen und sie stärken und verbessern könnte, kommt der Neosozialist nicht. Es ist einfacher, sich über Zustände zu beschweren und auf das Bedingungslose Grundeinkommen zu warten, das derzeit noch den Spitznamen "Bürgergeld" trägt.
"Eine weiblichere Weltordnung - auch das hätte einiges für sich."
Wie wäre es denn mal mit einer Weltordnung der Mütter? Frauen, die für mehr als nur ihre Karriere Verantwortung haben, Frauen, die sich kümmern müssen und wissen, wie man eine Familie managt und einen Haushalt führt? Frauen, die von Schulden nichts halten, weil ihnen klar ist, dass ihre Kinder sie einst begleichen müssen? Frauen, die sich mit anderen verbünden, um die tatsächlichen Probleme zu lösen und die ihren Kindern verbieten, Teufel an die Wand zu malen, weil die Mütter sie wieder entfernen müssen? Frauen, die ihre Kinder irgendwann aus dem Haus haben, die Dinge auch beenden wollen, bevor sie etwas Neues anfangen? Frauen, die mit Männern eine selbstbewusste Symbiose eingehen können? Wie wäre es damit?
"Der moderne Kapitalismus funktioniert unter dem Strich richtig gut. Wo bleibt dann der Applaus? Vor allem bei den Jungen, unter 30-jährigen, kommen stattdessen ganz andere Emotionen hoch: Frust, Resignation, Wut. Und eine neu entdeckte Liebe für sozialistische Ideen."
Der Kapitalismus hat weltweit zu einer Verbesserung der Lebensqualität geführt. Das sieht man sogar in China, das marktwirtschaftliche Mechanismen eingeführt hat, die zwar unter der Kommunisteische Partei wirken, aber den Reichtum gefördert haben. Warum also sind die Jungen wütend? Vielleicht weil sie zuviel Zeit damit verbringen, auf das Geld der Reichen zu starren und es haben zu wollen.
Alexandria Ocasio-Cortez (USA) fordert eine Einkommenssteuer für Spitzenverdiener von 70 Prozent. Dieses Geld, so meinen die jungen Leute, würde dann umverteilt und ihnen zugeschoben werden. Doch wie lange soll das funktionieren? Welcher Unternehmer will noch Geld verdienen, wenn er fast alles davon abgeben muss? An keiner Stelle wird im Artikel darüber nachgedacht, was nach der Umverteilung kommen soll. Zufriedenheit sicher nicht, denn es wird immer Unterschiede geben, egal auf welcher Ebene. Wenn der Neid monetäre Ungleichheit ausgeglichen hat, wird er sich vielleicht der Physis und dann der Psyche widmen. So lang, bis wir irgendwann alle gleich hohle Dinger sind, die von denen regiert werden, die die Verteilung organisieren.
Angefeuert wird die Neid-Debatte, denn nichts anderes ist es, wenn mit der Maske der Klimafreundlichkeit die Reichen angegriffen werden, von NGOS und Initiativen, die junge Menschen im Kampf für das vermeintlich Gute aufstacheln. Davon, dass Luisa Neubauer und Carla Reemtsma aus reichen Häusern kommen, will ich gar nicht weiter schreiben. Genausowenig wie von reichen Erben, die vom Staat fordern, endlich enterbt zu werden. Warum leben sie nicht einfach vor, was sie sich von anderen wünschen? Warum wollen sie den Umsturz, den sie Zeitenwende nennen, für alle?
"Wozu die ganze Schufterei im kapitalistischen Hamsterrad, wenn es am Ende ohnehin nichts bringt?"
Da ist sie wieder, die Frage, ob sich arbeiten überhaupt noch lohnt. Welche Berufe haben die Schreiber des Artikels denn im Kopf, wenn sie von "schuften" reden? Baugewerbe, Pflege oder Bergbau? Ich würde gern wissen, ob Menschen, die in diesen Branchen arbeiten tatsächlich so denken, wie die Jungs und Mädels aus dem MacBook-Elfenbeinturm. Wollen am Ende nur die nicht arbeiten, deren Arbeit sinnlos ist? Warum richten diese Menschen ihr Leben nicht einfach anders aus? Niemand zwingt sie zur Arbeit im Hamsterrad. Sie können doch in den Wald ziehen und glücklich werden, wie Friedmunt Sonnemann - ihm fehlt es an nichts.

Kommentar schreiben