
S. 3/1: Frauen an die Arbeit // Anna Mayr
Sehr geehrte Anna Mayr,
vielen Dank für Ihren Artikel „Frauen an die Arbeit“ in der Ausgabe 30 der ZEIT. Honecker wäre stolz auf Sie gewesen.
Sie fordern mehr Frauen in die Vollbeschäftigung, weil das gut für die Gemeinschaft sei und Sie finden, dass es gerechter sei, wenn alle Menschen Erwerbsarbeit leisten, auch wenn sie "nervig sein kann und ausbeuterisch".
Frauen, die sich selbst um ihren Haushalt kümmern, nähmen professionellen Reinigungskräften die Jobs weg und drücken die Löhne. Ein sehr kreativer Denkansatz, den Sie da wählen. Ihre Lösung besteht darin, dass Frauen mehr außer Haus arbeiten und den Haushalt an Putzkräfte outsourcen. Die Arbeit übrigens, die sie abwertend unter „Wäschelegen“ zusammenfassen. Das können doch die anderen machen, „diese Arbeitskräfte, noch dazu meist migrantisch, ohne deutschen Pass“. Hört sich ein bisschen an, als sollte jede Frau ihren migrantischen Sklaven zu Hause haben. Die migrantische Hausangestellte übrigens, die dann das Geld nach Hause schickt zu ihren Kindern, die sie nicht sehen kann.
Die meiste „care-Arbeit“ bestehe aus Ihrer Sicht aus „kochen, putzen, waschen“. Nur 13 Prozent braucht man für „füttern, wickeln, kuscheln, spielen“, was sie zu den Dingen zählen, „die das Leben im eigentlichen Sinn schön machen“. Sie haben ganz offensichtlich keine Ahnung von dem, was Frauen (auch Männer, aber weniger) zu Hause leisten. Eine Familie ist ein riesiges Projekt, das es zu stemmen gilt. Neben dem unvermeidlichen Haushalt ist das Leben der Familie zu organisieren, oftmals gepaart mit sozialem Engagement in den Vereinen der Kids. Die Frauen pflegen die sozialen Kontakte in der Nachbarschaft, sind Nachhilfelehrer, Restaurantbetreiber (kochen, einkaufen, Essen planen), Arztbegleitungen, Hüter bei Krankheit, psychosoziale Betreuer, Pfleger der alten Familienmitglieder, usw. usw. All diese Dinge sind doch schon recht viel Arbeit für die Gemeinschaft. Sie jedoch meinen nicht die nahestehende Gemeinschaft, die Familie und die Nachbarschaft, sondern die große, obwohl sie mir nicht der Typ Volksgemeinschaft zu sein scheinen.
In ihrem – ich hoffe doch – satirischen Beispiel, schlagen sie vor, dass eine fiktive „Lena“ ihr Kind ganztags in die Betreuung zu „Pia“ gibt, die dann auch mehr arbeiten darf, um in einem Handwerksbetrieb „Wärmepumpen“ zu bauen. Denn, dann gäbe es mehr Wärmepumpen und die wären nicht so teuer und wir hätten keine Inflation. Dass die Inflation mit der Geldmenge zusammenhängt wissen sie nicht. Wahrscheinlich, weil sie keine Zeit haben, um Bücher zu lesen.
Lena und Pia verdienen damit nicht nur den Gutmenschennobelpreis, schließlich produzieren sie nicht einen Porsche, sondern eine Wärmepumpe, sondern auch noch Rentenansprüche, „was nett ist, der Gemeinschaft und ihnen selbst gegenüber, denn so brauchen sie nach einer möglichen Scheidung keine Transferleistungen. Alle gewinnen.“ So schreiben Sie. Ja, alle gewinnen, außer das Kind, das nun weniger von Mama hat, weil die Wärmepumpen für die Energiewende baut und deren Scheidung wahrscheinlicher wird, weil sie nur noch gestresst ist. Wussten Sie, dass es in der DDR viel mehr Scheidungen als in der BRD gab? Und wussten Sie auch, dass Scheidungskinder es im Leben schwerer haben? Aber egal, hauptsache, die Mutter braucht keine Transferleistungen.
In Ihrem Beispiel gewinnt vor allem der Staat, denn der nimmt mit diesem Modell viel mehr Steuern ein. Die Frauen gehen arbeiten, verdienen mehr, zahlen mehr Steuern und haben weniger Zeit für ihre Familie. Irgendwas muss doch da auch bei Ihnen in der Logik haken.
Bei einer ver.di-Umfrage stellte sich raus, dass Frauen gar nicht mehr arbeiten wollen. Haben Sie mal darüber nachgedacht, dass den Frauen Zeit wichtiger ist als Geld, dass Freiheit wichtiger und Selbstverwirklichung nicht auf einen Nine-to-Five-Job angewiesen ist? Wir reden seit Jahrzehnten über die Work-Life-Balance und Sie wollen die Frauen ans Fließband bringen? Oder reden Sie gar nicht von solchen Jobs, sondern nur von denen, die so sind wie Ihrer? Wo man aus der Distanz der Sorglosen auf die anderen herabblicken und deren Leistung ignorierend Vollzeitarbeit fordern kann?
Sie sagen, Frauen, die nicht arbeiten, sind „eine Verschwendung von Humankapital“, weil sie für die Gemeinschaft nichts leisten. Setzen Sie sich doch dafür ein, dass der Arbeitsscheu-Paragraf wieder kommt, damit all die faulen Weiber endlich wieder was für alle tun. Anders bekommen Sie diese sonst nicht wieder ins System. Weil diese Frauen nicht mehr an die Rente glauben und keine Steuern erarbeiten wollen, wenn Schulen zerbröckeln?
Wo waren Sie die letzten zwei Jahre, als vorrangig Frauen erkannten, wie das so läuft, ohne staatliche Infrastruktur? Diese Frauen haben ihre Kinder zu Hause ausgebildet, bekocht und versucht, irgendwie ein soziales Leben aufrecht zu erhalten. Ohne sie hätte dieser ganze Lock-Down-Wahnsinn noch schlimmere Folgen als er sowieso schon hat.
Wäre es denn nicht angebracht, den Müttern zu danken? Danke dafür, dass sie für ihre Familien sorgen, dass sie ihre Werte weitergeben und dafür, dass sie Familienarbeit als selbstverständlich ansehen und nicht als Verhandlungsmasse in einem Streit zwischen Mann und Frau, angefeuert von Neo-Feministinnen aus Berlin.
Eine Familie zu gründen und zusammen zu halten ist Arbeit. Hausfrauen in Voll- oder Teilzeit sind keine Opfer, die Sie retten müssen. Sie sind erwachsene Frauen, die einen Deal mit ihrem Mann haben. Das ist eine Sache zwischen diesen beiden. Und dieser Deal kann sehr gut aussehen. Davon jedoch, haben Sie keine Ahnung.
Mit freundlichen Grüßen vom Wäschelegen,
Juliane Uhl